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Die Augenklinik Universitätsallee Bremen, gegründet von Priv.-Doz. Dr. Silvia Bopp und Priv.-Doz. Dr. Klaus Lucke, feiert dieses Jahr ihr 30-jähriges Bestehen. Dr. Udo Hennighausen (Hamburg) berichtet über die mittlerweile 28. Augenärztliche Fortbildung der Klinik und fasst aus dem Gesamtprogramm drei Vorträge und vier Kasuistiken zusammen.
- Geschrieben von Dr. Udo Hennighausen -
Im Jahre 1993 gründeten Priv.-Doz. Dr. Silvia Bopp und Priv.- Doz. Dr. Klaus Lucke die Augenklinik Universitätsallee Bremen, eine Praxisklinik mit dem Schwerpunkt Retinologie. Da man von Anfang an konsequent auf die ambulante Operation setzte, erwarb sich diese Klinik eine über die Region hinausreichende Reputation. Die seit 1994 jährlich im Februar stattfindenden Fortbildungen mussten wegen Corona zwei Mal ausfallen, so dass das Leitungsteam der Augenklinik Universitätsallee in diesem Jahr aus Anlass ihres 30-jährigen Bestehens zur 28. Augenärztlichen Fortbildung einladen konnte. Die Augenklinik Universitätsallee Bremen, die heute zu den Bergman Clinics zählt, wird von einem Dreigestirn geleitet: Dr. Tobias Hübner steht als Ärztlicher Direktor der Klinik vor, Priv.-Doz. Dr. Silvia Bopp, Gründungsmitglied der ersten Stunde in 1993, und Priv. Doz. Dr. Andreas Schüler, seit 18 Jahren im Team, nehmen in Altersteilzeit chefärztliche Rechte und Pflichten wahr (Abb. 1). Aus dem Gesamtprogramm, das vor allem Themen aus dem Bereich des Vorderabschnitts (Keratokonus, sekundäre IOL-Versorgung) und des Hinterabschnitts bot (Ablatio retinae, PVR, Laseranwendung, IVOM-Therapie und Komplementinhibition bei AMD), wurden für die Berichterstattung unter dem Gesichtspunkt der Arbeit in den Augenarztpraxen drei Vorträge und vier Kasuistiken ausgewählt.
Dr. Bopp und Dr. Hübner während des Vortrags
PhD Hanna Faber, Funktionsärztin in der Abteilung Ple- und Orthoptik der Augenklinik des Universitäts-Klinikums Eppendorf (UKE) Hamburg, erklärte das Spektrum des Managements der „Schulmyopie“, welches nicht für die Myopie bei Down-Syndrom und bei Frühgeborenen gilt. Eine Myopieprogression gilt als bestätigt, wenn eine Progression von mindestens -0,5 bis -075 dpt. pro Jahr festgestellt wird. Die Vortragende fasste die Hauptpunkte des Myopiemanagements zusammen:
Fazit: Wenn man sich bei seiner Empfehlung auf das beschränken möchte, was mit keinen etwaigen Nebenwirkungen oder etwaigen Kosten im Sinne der Eigenleistung, etwa auch durch Kontrollen bei Off-label-Therapie, verbunden ist, dann bleibt nur die Empfehlung von möglichst zwei Stunden Aufenthalt im Freien und Reduzierung des angestrengten Nahsehens, vor allem im Zusammenhang mit dem Smartphone, übrig.
Unerwünschte visusrelevante Effekte in Zusammenhang mit einer erfolgreich verlaufenen Operation einer rhegmatogenen Ablatio retinae waren für Priv.-Doz. Dr. Bopp der Anlass, die drei möglichen chirurgischen Konzepte zur Behandlung der rhegmatogenen Netzhautablösung zu diskutieren. Die Vitrektomie ist heutiger Standardeingriff, eine One-for-all-Methode, die Buckelchirurgie (SB, scleral buckling) sehen nicht wenige als eine „aussterbende Kunst“, die pneumatische Retinopexie (PR), die in den USA einen Anteil von 15 Prozent aller Operationen gegen eine Ablatio einnimmt, wird innerhalb der EU nur von wenigen Operateuren regelmäßig praktiziert. Die primäre Pars-plana-Vitrektomie (ppV) hat eine hohe Wiederanlegungsrate, nicht selten berichten aber Patienten nach funduskopisch erfolgreicher Operation von Leseschwierigkeiten durch Metamorphopsien, durch Aniseikonie oder reduziertes Stereo-Sehen sowie durch Doppelbilder; hinzu kommt die Spätfolge der Kataraktentwicklung. Die Ursache für diese genannten visuellen Beschwerden liegt in einer Verlagerung der Netzhaut (displacement), insbesondere in einem Netzhaut-Shift, sichtbar als helle Linien, die parallel zu den Gefäßen verlaufen und deshalb auch „Bikiniklinien“ genannt werden, oder einer Faltenbildung in der Netzhaut, sei es nur in der äußeren Netzhaut oder als full-thickness-Faltenbildung. So fand Bopp im eigenen Krankengut morphologisch in 14 Prozent der Fälle „Bikinilinien“ (mittels der Fundus-Autofluoreszenz), vereinzelt Netzhautfalten (mittels OCT, Funduskopie) und funktionell in 23 Prozent frühe postoperative Binokularstörungen (Vertikaldeviation, Doppelbilder und eine herabgesetzte Stereopsis). Bezüglich der Entstehung dieser Pathologien wird eine forcierte Wiederanlegung der Netzhaut vermutet, die zu einem Stretching des elastischen retinalen Gewebes und somit zu einer veränderten Ausrichtung der Netzhaut führen kann.
Der Erfolg der Buckelchirurgie beruht auf dem funktionellen Lochverschluss durch Skleraeindellung, die subretinale Flüssigkeit wird auf natürlichem Wege resorbiert, eine Drainage der subretinalen Flüssigkeit erfolgt heutzutage nur noch selten. Bei entsprechender Patientenselektion erreicht man einen primären anatomischen Erfolg in über 90 Prozent der Fälle, und es erfolgt eine rasche Erholung des Visus. Die Indikationen für diesen Eingriff sind derzeit die juvenile Ablatio mit anliegendem Glaskörper, verursacht durch atrophische Foramina, Oradialysen, sowohl akut als auch bereits länger bestehend, und die adulte phake Ablatio mit abgehobenem Glaskörper und klarer Lochsituation. Diese Op-Technik ist nur mit einer geringen okulären Komorbidität assoziiert, vor allem die Netzhautverziehungen, eine etwaige Kataraktbildung und die Akkommodation betreffend. Auch eine verzögerte Resorption der subretinalen Flüssigkeit hat keinen Effekt auf den finalen Visus. Ein zystoides Makulaödem (CMÖ) oder ein Macular Pucker findet man nach SB weniger oft als nach ppV. Der Schlüssel zum Erfolg ist die Auswahl der Patienten. Maximal 15 Prozent der Ablationes werden heutzutage noch mit SB versorgt.
Bei der pneumatischen Retinopexie (PR) erfolgt eine Kryopexie des Foramens/der Foramina, danach eine intravitreale Bolusinjektion von unverdünntem expandierendem Gas (0,6 ml SF6 oder 0,3 ml C3F8-Gas). Wichtig ist die postoperative Lagerung. Bei Mac-on: Positionierung zum Foramen, bei Mac-off: Steamroller Prozedur; empfohlene Positionierung: 16 Std/ Tag für die Dauer von 5 Tagen. Indikationen: Einzelforamina (Größe
Fazit: Alle drei Verfahren haben ihre Indikationen, im Idealfalle sollten alle drei Methoden an einem Zentrum angeboten werden. Nicht nur den anatomischen, sondern ebenfalls den funktionellen Ergebnissen muss Beachtung geschenkt werden. Die augenärztlich Nachbetreuenden sollten auch über die bekannten Unterschiede im jeweiligen postoperativen Verlauf informiert sein, auch unter dem Gesichtspunkt der Beratung der Patienten. Lesebeschwerden nach einer ppV-Operation geben sich oft innerhalb eines Jahres, manchmal ist die Anpssung einer prismatischen Korrektur notwendig. In sehr seltenen Fällen, zum Beispiel beim Verbleib von flüssigem Perfluorkohlenstoff (PFCL) unter der Makula, kann ein operatives Vorgehen angesagt sein.
Priv.-Doz. Dr. Schüler stellte die klinische Klassifikation der proliferativen Vitreoretinopathie vor und erklärte die Histologie sowie die zugrunde liegenden biochemischen Reaktionen, in denen Inflammation, Ischämie und Schrankenstörung einander die Hand geben und zur Zellproliferation führen. Eine Vielzahl von Medikamenten wurde bislang zur Beeinflussung dieses Proliferationsprozesses eingesetzt, eine medikamentöse Behandlung der PVR ist derzeit nicht etabliert. Die Silikonöl-Tamponade löst das Problem nicht, da diese den Glaskörperraum nicht vollständig ausfüllt. Der PVR-Grad bei der Primär-Op bestimme die Prognose, so der Vortragende. Als die entscheidenden Schritte, um das Entstehen einer PVR nach Operation einer Netzhautablösung nach Möglichkeit zu verhindern oder zumindest zu minimieren, nannte der Vortragende das frühe Erkennen der Netzhautablösung im Bereich der Niedergelassenen – hierzu zählt auch das Gesundheitswissen in der Bevölkerung – und die zeitnahe operative Versorgung an einem entsprechend eingerichteten Zentrum. Als Standard-PVR-Versorgung hat sich in der Augenklinik Universitätsallee als Primäreingriff die bimanuelle Vitrektomie mit Chandelier-Beleuchtung etabliert. Als „Kardinalfehler beim Primär-Eingriff “ nannte Schüler: „Wenn man den Glaskörper nicht abhebt, die Glaskörperbasis nicht befreit, die Traktion nicht komplett entlastet und eine nach Füllung und/ oder Dauer unzureichende Tamponade gestaltet.“ Fazit: „Früh daran denken, baldmöglichst erkennen und zeitnah strukturiert operativ zu versorgen“, dieses Dreigestirn ist die Voraussetzung, um eine PVR nach Möglichkeit zu vermeiden oder zumindest das Risiko für deren Entstehung zu mindern.
Aus dem Reigen der vorgestellten Fälle seien vier kurz skizziert. Dr. Tamara Tiburtius stellte den Fall einer 13 Jahre alten Patientin mit Diabetes vor, bei der im Rahmen der Funduskopie eine bewegliche, runde fleckig pigmentierte, ansonsten transparente Raumforderung im Glaskörperraum gefunden wurde (siehe Abbildung). Es handelte sich um eine idiopathische pigmentierte Glaskörperzyste, die primär keiner Behandlung bedarf. Fazit: Eine Indikation zu einer Behandlung ist nur gegeben, wenn sich diese Zyste als wirkliche optische Beeinträchtigung erweisen sollte. In Frage käme ein vitreoretinaler Eingriff (YAG-Laser oder Vitrektomie). Yasmin Neubert-Shah stellte den Fall eines Patienten mit schwerer, nichtproliferativer diabetischer Retinopathie vor, der wegen eines Magenkarzinoms Nivolumab, ein Checkpoint-Inhibitor gegen PD-1, erhielt. Eine zelluläre Infiltration des Glaskörpers und eine Schrankenstörung am hinteren Pol entpuppten sich als immunogene Checkpint-Inhibitor-assoziierte Uveitis. Eine Unterbrechung der Therapie mit Nivolumab für vier Wochen, die Gabe systemischer Steroide, beginnend mit 80 mg täglich in absteigender Dosierung, und der Switch auf IVOM-Therapie mit Ozurdex führten zum Abklingen der Uveitis, sodass die systemische antitumorale Immuntherapie wieder aufgenommen werden konnte.
Fallvorstellung durch Dr. Tiburtius
Fazit: Eine antitumorale Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren kann im Sinne der Nebenwirkung zu einer nichtinfektiösen Uveitis führen. Priv.-Doz. Dr. Bopp stellte den Fall einer Patientin mit proliferativer diabetischer Vitreoretinopathie (PDR) vor, deren linkes Auge nach viermaliger vitreoretinaler Operation in eine Phthisis übergegangen war. Am noch sehenden rechten Auge entwickelte sich das Bild einer Uveitis, darüber hinaus entstand eine Glaskörperblutung. Eine medikamentöse und eine operative Behandlung (Vitrektomie/Phako mit Peeling und Endo-Laser) erfolgten. Nach initial positivem Verlauf entwickelte sich ein Uveitisrezidiv mit einem perlschnurartiges Glaskörperinfiltrat, das zur Diagnose einer sympathischen Ophthalmie führte. Die Therapie erfolgte mit Ozurdex intravitreal sowie zusätzlicher systemischer Immun-Suppression. In der Diskussion wurde die Frage der Entfernung des linken phthitischen Auges gestellt: Diese Maßnahme hätte jedoch keine Bedeutung mehr, da der immunologische Prozess eingeleitet ist.
Fazit: Auch bei Zustand nach intraokularen Operationen ist das Entstehen einer sympathischen Ophthalmie möglich. (Anmerkung des Berichterstattenden: Arthur Gloor, der Großvater von Balder P. Gloor, dem ehemaligen Ordinarius für Augenheilkunde in Zürich, erlitt nach der Staroperation des linken, zweitoperierten Auges eine „foudroyante Infektion, so dass mich Collega Schnyder zur Rettung des ersten Auges enukleieren musste“. Aus: Balder P. Gloor (2016) Arthur Gloor – ein halbes Jahrhundert Ophthalmologie in Praxis und Regionalspital 1899-1954, Mitteilungen der Julius-Hirschberg-Gesellschaft zur Geschichte der Augenheilkunde, Band 15 – 2013, Verlag Königshausen & Neumann GmbH, Würzburg.) Dr. Melanie Hellermann stellte den Fall einer 32-jährigen Patientin, die wegen ihres linken roten Auges die Notfallsprechstunde aufsuchte, vor. Eine Neigung zur Migräne mit Aura war bekannt, drei Tage zuvor hatte sich ein Krankheitsgefühl entwickelt, hinzu waren Fieber und Erkältungssymptome und einseitige Kopfschmerzen links gekommen, die Rötung des linken Auges bestand seit dem Vorabend. Es lag eine Schwellung im Bereich der linken Parotis vor, assoziiert mit in das linke Ohr ausstrahlenden Schmerzen. Die Spaltlampenmikroskopie zeigte eine konjunktivale Injektion links, aber auch eine Anisokorie (L<R) und eine leichte Ptosis links. Diese Zeichen führten zur Diagnose eines Horner-Syndroms. Die rasch eingeleitete neuroradiologische Diagnostik ergab als Ursache eine spontane Dissektion der Karotis interna. Die Kopfschmerzen in der Schläfenregion werden durch die Aktivierung der Nozirezeptoren in der Gefäßwand der Karotis interna erklärt und die konjunktivale Injektion durch den Ausfall des Sympathikus. Fazit: Ein Horner-Syndrom kann mit einer konjunktivalen Injektion des betroffenen Auges, verursacht durch den Ausfall des Sympathikus, assoziiert sein. Beim Vorliegen eines akuten Horner-Syndroms, aber auch schon beim Verdacht auf dieses, ist eine umgehende neuroradiologische Untersuchung und bei Indikation auch eine Behandlung mittels eines Stents Indiziert, damit kein zerebraler ischämischer Insult entsteht (mittlere Dauer bis um Auftreten zerebraler Symptome 8,8 Tage). Bis zu 24 Prozent der ischämischen zerebralen Insulte bei Patienten unter 45 Jahren werden durch eine Dissektion der Karotis interna verursacht.
Vorgestellt wurde auch der „Atlas of Innovative YAG-Laser Applications“, entstanden in Zusammenarbeit mit dem Oogcentrum Eibergen/Niederlande. K. Brasse, S. Bopp, T. Abara, U. Oberheide, J. von Below und M. Metcalfe zeichnen als Autorenteam für dieses Werk mit ausgesprochen hochwertigen Bildern mit hoher Vergrößerung, die die innovative Laseranwendung im Vorderabschnitt bis in den Glaskörperraum hinein zeigen (Abb. 3). Dieses Werk wurde erstmalig auf der DOC 2023 vorgestellt und wird mit weiteren Kapiteln im Herbst 2024 über den Kaden-Verlag unter ISBN 978-3-949313-11-0 allgemein zur Verfügung stehen.